Não existem traducões ainda!
Johannes Augel – Guinea-Bissau: Politik, Wirtschaft, Soziales (2002 – Anfang 2003)
Überblick in Stichworten
Allgemeine Angaben, Einleitung, Verfassung, Parlament aufgelöst, Neuwahlen anberaumt, Gemeinderatswahlen, Haushaltsplan, Regierung, Regierungspartei PRS, Oppositionsparteien, „Erklärung von Bissau“ der Opposition, Carlos Gomes Júnior Vorsitzender der PAIGC, Luis Cabral und João Bernardo Vieira („Nino“) wieder in die PAIGC aufgenommen, mehrere neue Parteien gegründet, Willkürmaßnahmen und politische Verfolgung, politische Situation „chaotisch“, Streiks, Hirtenbrief der katholischen Bischöfe, Bezahlung der öffentlichen Bediensteten, Rückkehr ehemaliger Gefolgsleute Ninos, neue Emigration, Patronage, Militär als Unsicherheitsfaktor, Demobilisierung, Menschenrechte und Menschenrechtsliga, Geheimpolizei, Rundfunk, Fernsehen, Presse, Zivilgesellschaft unter Druck, Nationales Versöhnungsforum, Parlament verabschiedet Generalamnestie, erneute Putschgerüchte, wirtschaftliche Situation äußerst angespannt, Bruttosozialprodukt, extreme Trockenheit im Norden und Osten, Poverty Reduction and Growth Facility-Programm des FMI, Beratergruppe des Economic and Social Council der UN, Buchprüfung durch Pricewaterhouse-Coopers, Vorbedingungen für Wachstum und Hilfsprogramme, Investitionen in Aussicht, Hauptexportprodukt: Cashew-Nüsse; Fischerei, Fischerei-Abkommen mit der EU, strukturelle Reformen und drakonische Maßnahmen zur Sanierung der Wirtschaft angekündigt, Reformpläne im öffentlichen Dienst, Privatisierung von Staatsbetrieben, Erweiterung des Telephonnetzes, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Hafenverwaltung Bissau, Banco Internacional da Guiné-Bissau liquidiert, Probleme im Gesundheits- und Erziehungsbereich. Außenpolitik: Einzelerfolge, trotz unsteter politischer Situation, Beziehungen zu Portugal schwer belastet; Beziehungen zu Gambia, Casamance, Kap Verde, Besuch des Präsidenten in Libyen und China, Mandat von Unogbis bis Dezember 2003 verlängert.
Allgemeine Angaben
Fläche: 36 125 km², Einwohner: 1,347 Mio., Hauptstadt: Bissau, Amtssprache: Portugiesisch, Lebenserwartung: 44,8 Jahre, Alphabetisierung: 38,5%, Wechselkurs: $ 1 = Francs CFA 667, 1 ? = 656 Francs CFA (fester Wechselkurs), HDI: 0,349, Rang 167, Pro-Kopf-Einkommen: 172 US-$, GDP-PPP 755 US-$ , BSP 231 Mio US-$, Hauptexportprodukte: Cashewnüsse 22,9 Mio, Fisch/Shrimps 0,5 Mio US-$; Staatschef: Kumba Yalá, Ministerpräsidenten: Alamara N’Tchia Nhasse (PRS, 8.12.2001-16.11.2002), Mário António dos Reis Pires (PRS) seit 16.11.2002, Regierungspartei: Partido da Renovação Social (PRS), Oppositionsparteien: Resistência da Guiné-Bissau-Movimento Bá-Fatá (RGB-MB), Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde (PAIGC), Aliança Democrática (AD), União para a Mudança (UM), Partido Social Democrático (PSD), Frente Democrática Social (PDS), União Nacional para a Democracia e o Progresso (UNDP)
Einleitung
Die politische, wirtschaftliche und soziale Stabilisierung des Landes machte keine Fortschritte und weist für viele Beobachter eindeutig negative Tendenzen auf. Der Präsident wird in der Bevölkerung zunehmend abgelehnt und als demagogisch, launig, unstet, konfliktorientiert, polarisierend und „zersetzend“, als unberechenbar und unverhohlen als „verrückt“ und als das größte Problem des Landes bezeichnet. Die größten Oppositionsparteien verlangten eine Untersuchung der geistigen Gesundheit des Staatschefs. Sein Kennzeichen, die rote Mütze, hatte seit dem Wahlkampf für die ersten demokratischen Wahlen 1994 Volksverbundenheit und eine ethnische Konnotation signalisiert, wird heute aber auch als äußeres Zeichen seiner Unverantwortlichkeit („blufu“) gesehen. Die Einmischung der Militärs, die Uneinigkeit der Regierungs- und der Oppositionsparteien, Regierungs- und häufige Ministerwechsel, Unerfahrenheit der obersten politischen Führung, Korruption vieler politischer und administrativer Amtsträger, Mangel an Rechtssicherheit bilden ein negatives Klima sowohl im Lande selbst als auch für Geber und ausländische Investoren. Das Land ist mehr denn je von der immer restriktiveren Vergabe ausländischer Mittel abhängig.
Für die Menschen hat sich der Demokratisierungsprozeß nicht ausgezahlt. Armut, die mangelnde Stabilität des Landes und ethnische Spannungen werden in manchen inländischen wie ausländischen Kommentaren als potentielle Konfliktquellen angesehen. Die Überwindung der durch den Krieg 1998/99 verursachten Rückschläge verzögert sich, und viele Beobachter sehen Guinea-Bissaus Weg aus der autoritären zu demokratischer Wirklichkeit als gescheitert an. Von den Oppositionsparteien und aus der guineischen Diaspora (insbes. aus Portugal) kommen Forderungen nach Rücktritt Kumba Yalás, um dem „beschämenden Zustand des Landes“ ein Ende zu bereiten.
Die Verfassung von 1984 war 1993 wesentlich verändert worden. Die im Juli 1999 vom Parlament beschlossene neue Verfassung wurde vom Präsidenten noch nicht in Kraft gesetzt. Die Opposition sieht den Grund für die Weigerung des Präsidenten, die Verfassung in Kraft zu setzen, in der Frage der Trennung der Staatsgewalten und der Beschneidung der Entscheidungsbefugnisse des Präsidenten bei der Ernennung und Entlassung des Generalstaatsanwalts, der obersten Richter, des Generalstabschefs der Streitkräfte und des Regierungschefs.
Präsident Kumba Yalá war Januar 2000 im zweiten Wahlgang gewählt worden. Die nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen waren turnusmäßig Ende 2004 vorgesehen; die Parlamentswahlen wurden jedoch aufgrund der Auflösung des Parlaments durch den Präsidenten vom 15.12.2002 zunächst auf den 23.2.2003 festgesetzt (innerhalb der gesetzlichen Frist von 90 Tagen), später verschoben und sind für den 6. Juli vorgesehen. UNDP finanzierte die Aktualisierung der Wählerlisten und zeigte sich besorgt hinsichtlich der Einhaltung der notwendigen Standards von Transparenz und Fairness.
Die seit der Verfassungsreform von 1993 vorgesehenen Gemeinderatswahlen stehen als Abschluss des Demokratisierungsprozesses nach wie vor auf der Liste der immer wieder geforderten und versprochenen, nicht verwirklichten und auch nie ernsthaft betriebenen Reformpläne.
Das Parlament, die Assembleia Nacional Popular, hat 102 Abgeordnete und wurde im November 1999 in direkter Wahl bestimmt. Bis zu seiner Auflösung war es das einzige Gegengewicht zur Exekutive. Gleichzeitig ordnete Kumba Yalá eine Rechnungsprüfung des Parlaments an. Der Parlamentspräsident akzeptierte dies unter der Bedingung, dass „die Prüfung auch auf andere Staatsorgane ausgedehnt wird, bei denen die Unterschlagung öffentlicher Gelder bekannt wurde“. Präsident und der von ihm ernannte Ministerpräsident verfügten mit den 38 Abgeordneten der PRS über die stärkste Parlamentsfraktion, waren jedoch auf Unterstützung aus den Reihen der Oppositionsparteien angewiesen. Der auf Konfrontation ausgerichtete Stil des Präsidenten stärkte die Mehrheit der Oppositionsparteien und führte zu Blockierungen in der parlamentarischen Arbeit und der Regierungstätigkeit. Dem Präsidenten wird die regelmäßige Überschreitung seiner Kompetenzen, insbesondere gegenüber den anderen Verfassungsorganen, vorgeworfen. Auch schon vor der Auflösung des Parlaments regierte der Präsident zunehmend mit Hilfe von teils nicht veröffentlichten Dekreten.
Der Haushaltsplan 2002 wurde vom Parlament zwei Mal zurückgewiesen und am 2.7.2002 einstimmig gebilligt (77,5 Mrd. FCFA, ca. 118,15 Mio Euro, gegenüber 94 Mrd. FCFA im Vorjahr). Er bestimmte einen neuen Mindestlohn von 28.500 FCFA (43,450 EUR) ab September (gegenüber dem bisherigen von 14.500 FCFA), ebenso die Begleichung von Schulden der Regierung und die Rückerstattung der dem Demobilisierungsfonds entnommenen Gelder und andere Verpflichtungen der Regierung, die die Mehrheit der Oppositionsparteien zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Haushalt machte. Das Parlament verlangte von der Regierung auch Begründung für „exorbitante Ausgaben“.
Die Regierung wird nach wie vor mehrheitlich aus den Reihen der PRS gebildet. Als ihr Generalsekretär Artur Sanha im September aus seinem Ministeramt entlassen wurde und es zwischen dem Präsidenten und seinem Premierminister zu „einem kleinen Missverständnis, das schnell beigelegt wurde“, kam, drohte die Partei auseinander zu brechen. Als Grund wurden Personalentscheidungen des Präsidenten ohne Konsultation des Premierministers sowie die kritische Wirtschaftslage genannt. Am 16.8.2002 hatte Kumba Yalá Generalstaatsanwalt Caetano N’Tchama durch Mamadou Seido Baldé und den Präsidenten des obersten Gerichtshofs, António Sedja Mam, durch António Artur Sanha ersetzt. Letzterer konnte sich jedoch auf Grund der Proteste der Opposition nur vier Tage im Amt halten und wurde am 20.8. durch Mamado Amiro Djalo abgelöst. Die eigenmächtige Ernennung und Absetzung oberster Richter durch den Präsidenten führte zu langen Auseinandersetzungen und Beschuldigungen des Verfassungsbruchs. Auch mehrere Kabinettsumbildungen und die Auswechslung einzelner Minister gingen auf Entscheidungen des Präsidenten zurück, der damit in die Kompetenzen des Premierministers hinein regierte und in einzelnen Fällen sogar Minister ohne Wissen des Regierungschefs entließ. Dies führte zu andauernden internen Streitigkeiten und zu wachsendem Einfluss der Militärs auf die Regierung.
Am 8.7.2002 rief der Weltsicherheitsrat die streitenden Parteien zum Dialog und zur Respektierung der Gewaltenteilung im Staat auf. Am 27. August ermahnten leitende Militärs den Präsidenten zu größerer politischen Zuverlässigkeit und Beständigkeit seiner Politik. Die Regierungspartei PRS wurde durch Führungsstreitigkeiten geschwächt. Am 16.1. bestimmte ein außerordentlicher Parteikongress Premierminister Alamara Nhassé zum Parteivorsitzenden und den umstrittenen António Artur Sanhá zum Generalsekretär. Nach seiner Entlassung als Ministerpräsident gab Nhassé am 25.11. den Parteivorsitz auf und wurde durch Alberto Na Mbeia (Nambeia) ersetzt. Der im Januar abgehaltene Parteikongress bestätigte die PRS als von der Volksgruppe der Balanta dominierte Formation.
Die größte Oppositionspartei, Resistência da Guiné-Bissau – Movimento Bá-Fatá (RGB-MB), wurde ebenfalls von Auseinandersetzungen um die Parteiführung geschwächt. Der von Helder Vaz und Domingues Fernandes für den 9.10.2002 einberufene Parteikongress wurde von der Polizei verhindert, der Besitzer des Hotels, in dem er stattfinden sollte, verhaftet. Der Oberste Gerichtshof sah auf Betreiben der Regierung Vaz‘ Wahl zum Parteivorsitzenden als unrechtmäßig an. Helder Vaz wird allgemein als der fähigste Oppositionspolitiker des Landes angesehen. Der als dem Präsidenten willfährig geltende Generalstaatsanwalt kündigte Strafmaßnahmen an und kann damit eventuell die Aufstellung von Kandidaten für die Parlamentswahlen 2003 verhindern. Nach der Gerichtsentscheidung ist der legitime Parteivorsitzende Salvador Tchongo und der Generalsekretär Mário Ussumane Baldé. Am 4.11. veröffentlichten die beiden größten Oppositionsparteien RGB-MB und PAIGC eine „Erklärung von Bissau“, die später auch von der AD und FDS unterzeichnet wurde und in der sie den Präsidenten als das größte Hindernis für Frieden und Entwicklung bezeichneten, ihn vieler verfassungswidriger Entscheidungen bezichtigten und seinen Rücktritt forderten. Sie bezweifelten die geistige Gesundheit des Präsidenten und forderten seine Untersuchung im Hinblick auf den einzigen verfassungsmäßigen Weg, ihn zum Rücktritt zu zwingen. Auch die „Bewegung der Zivilgesellschaft“ forderte Kumba Yalá zur Respektierung der Verfassung und der Gewaltenteilung auf. Wenige Tage später antwortete der Präsident indirekt mit der Auflösung des Parlaments.
Die frühere Einheitspartei PAIGC wählte am 7.2. den Unternehmer Carlos Gomes Júnior gegen seine Mitbewerber Aristides Gomes, Manuel Saturnino Costa und den bisherigen Vorsitzenden Francisco Benante zu ihrem Präsidenten. Auf ihrem 4. außerordentlichen Kongress beschloss die PAIGC, die ehemaligen Präsidenten Luis Cabral (1974-1980) und João Bernardo Vieira (1980-1999) wieder in die Partei aufzunehmen.
Die Opposition ist zersplittert, bemüht sich jedoch um Wahlbündnisse und Koalitionen im Hinblick auf die Wahlen des kommenden Jahres. Mehrere neue Parteien wurden gegründet: Partido Democrático Guineense durch den Geschäftsmann Manuel Cá in Lissabon und am 4. Februar als die 17. Partei des Landes registrierte Partido de Unidade Nacional durch Idrissa Diallo, außerdem die MDG – Movimento Democrático Guineense und Manifesto do Povo. Insgesamt sollen 24 Parteien bestehen. Bei fehlenden ideologischen Unterscheidungen bilden die Parteien die Arenen zur Aneignung persönlicher Macht und Ressourcen durch die zahlenmäßig geringe politische und wirtschaftliche Elite des Landes. Ende September 2002 beschuldigte der frühere, lange in Portugal lebende Premierminister Francisco Fadul den Präsidenten Kumba Yalá, die Zulassung der von ihm gegründeten Partei, Partido Democrático da Cidadania (PDC) zu hintertreiben. Fadul wurde nach Rückkehr nach Bissau zum Vorsitzenden der PUSD gewählt. In einem Presseartikel hatte Fadul im Oktober behauptet, Kumba Yalás Wahlkampagne sei von seinem ehemaligen politischen Gegner, dem 1999 gestürzten Präsidenten João Bernardo „Nino“ Vieira, gegen die Zusage finanziert worden, Ansumane Mané, den Urheber der Militärrevolte, die zum Sturz Vieiras führte, zu töten.
Dem Präsidenten, der Regierung, aber auch dem ehemaligen Premierminister Caetano N’Tchama in seiner Funktion als Generalstaatsanwalt wurden vielfache Willkürmaßnahmen und politische Verfolgung Missliebiger und Unterdrückung jeder Kritik, der politischen Opposition, Gewerkschaften, Presse, Rundfunk und Teilen der Zivilgesellschaft vorgeworfen. Caetano N’Tchama ließ als Generalstaatsanwalt seinen Nachfolger im Amt des Premierministers, Faustino F. Imbali (nach dessen Entlassung), und den ehemaligen Präsidenten der Menschenrechtsliga und jetzigen Oppositionspolitiker Fernando Gomes verhaften. Gomes wurde im Dezember zu zwei Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt. Im März wurden zwei weitere Mitglieder der Menschrechtsliga, Mário Gomes Sá und Formozinho da Costa, verhaftet. Gegen Artur Sanhas Bestellung zum obersten Richter führte die Oppositionspartei RGB den nicht aufgeklärten Mord an seiner schwangeren ehemaligen Geliebten an. Die ehemaligen Gerichtspräsidenten Emiliano Nosolini dos Reis und Venâncio Martins, denen illegale Verwendung öffentlicher Mittel vorgeworfen worden war, wurden nach drei Monaten Gefängnis am 14. Februar 2002 ohne die Stellung einer Kaution und ohne Anklageerhebung entlassen. In seiner Rede zum Unabhängigkeitstag drohte der Präsident der Opposition mit Repressionsmaßnahmen. Ein Oppositionsabgeordneter wurde von seiner Leibwache und von Polizisten geschlagen. Wenige Tage später wurde auf das Büro des Vorsitzenden der Demokratischen Allianz, den Abgeordneten Vitor Mandinga, geschossen. Rechtsanwalt Vamain und seine Frau, die frühere Außenministerin Antonieta Rosa, suchten Schutz im Büro der Vereinten Nationen. „Gegenwärtig ist politische Tätigkeit in unserem Land mit Gefahren verbunden“, kommentierte der Oppositionspolitiker Helder Vaz.
Die politische Situation in Bissau wird als „chaotisch“ bezeichnet. Korruption und Patronage lähmen Politik und Verwaltung. Wenn auch bisher das Volk eher ohne und teils trotz des Staates lebte, so wird das Fehlen der meisten grundlegenden Staatsfunktionen und staatlicher Dienstleistungen offensichtlicher. Die Einnahmen des Staats gingen im Laufe des Jahres dramatisch zurück. Die öffentlichen Bediensteten erhielten teils 7-9 Monate lang kein Gehalt. Dies führte zu wiederholten Streiks in allen Bereichen, insbesondere im Gesundheits- und Erziehungssektor. Am 9.9.2002 legte der Erziehungsminister Geraldo Martins offen, dass sein Ministerium die Lehrergehälter nicht bezahlen kann. Die Lehrergewerkschaft drohte, den Schülern keine Zeugnisse auszustellen. Die Vereinigung der Eltern und Erziehungsberechtigten rief zu privaten Beiträgen auf, um die Lehrer von Streiks abzuhalten. Die beiden Gewerkschaftsverbände União Geral dos Trabalhadores da Guiné (UNTG) und Confederação Geral dos Sindicatos Independentes (CGSI) riefen für den 12.-14.11. einen Generalstreik aus. Die guineischen Stipendiaten im Ausland beklagten Rückstände ihrer von der Regierung zu zahlenden Stipendien der EU. Am 7.10. besetzten 84 Studenten aus Protest die guineische Botschaft in Dakar, Anfang 2003 entführten andere den guineischen Botschafter in Moskau.
Die für den 6. Juli 2003 angesetzten Parlamentswahlen werfen ihre Schatten von parteipolitischem Opportunismus und politischem Stillstand voraus Die Polarisierung aller politischen Kräfte und die Politisierung von Verwaltung, Militär, Polizei und Gerichtswesen führen zu gefährlichen Spannungen, ebenso die tatsächliche oder auch nur gefürchtete Allgegenwart des Geheimdienstes des Präsidenten, der seine Position und die seiner Partei PRS mit oft zweifelhaften Mitteln zu verteidigen sucht. Am 4.9.2002 warnten die beiden katholischen Bischöfe von Guinea-Bissau vor dem Abgrund, auf den das Land zusteuert, und beklagten die politische, wirtschaftliche und soziale Instabilität, die Eingriffe der politischen Führung in die Gerichte, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Ungleichbehandlung der Ethnien, was zu Unzufriedenheit, Spannungen, Frustration und Konflikt führe. Die Bezahlung der öffentlichen Bediensteten ist sehr gering. Das Gehalt eines Ministers wird beispielsweise mit 373 US-$ angegeben. Das führt zwangsläufig dazu, dass Staatsbedienstete ihr Amt als Möglichkeit zur Beschaffung von Zusatzeinkommen sehen. Selbst ohne akkumulieren zu wollen (und es scheint legitim, dies zu wollen), braucht ein Minister auch in Bissau für eine Lebensführung auf international vergleichbarem Standard ein Minimum von 3-5.000 US-$. Mehrere Regierungen haben – bisher vergeblich – versucht, diesen Widerspruch zu lösen.
Die Normalisierung der durch den Krieg von 1998/99 geschaffenen Spannungen äußerte sich in der Rückkehr ehemaliger prominenter Gefolgsleute des 1999 vertriebenen Präsidenten João Bernardo „Nino“ Vieira und teils auch in deren Übernahme hoher Ämter: Der frühere Informationsminister M. Sane wurde Staatssekretär im Fischereiministerium; Delfim da Silva, Außenminister unter Vieira, wurde politischer Berater des Präsidenten im Ministerrang; Ibrahima Sow wurde Präsidentensprecher. Der Präsident verweigert allerdings seinem Vorgänger Nino die Rückkehr: „Vieira ist der Verantwortliche für eine mehrere Jahre dauernde katastrophale Staatsführung, die das Land in einen Bürgerkrieg steuerte und den Tod mehrerer Tausend Unschuldiger verursachte, für die Invasion des Landes durch Truppen von Senegal und der Republik Guinea und schließlich für die vollkommene Zerstörung des Landes“. Dagegen leben nach wie vor viele Mitglieder der örtlichen Elite und der Mittelschicht, die während des Kriegs ins Ausland flohen, außerhalb des Landes. Die politische Elite strebt eher nach Positionen im Ausland und bei internationalen Organisationen als im Lande. Zu den bisher nicht zurückgekehrten Kriegsflüchtlingen kommen neue Emigranten hinzu, die eine Chance sehen, den bedrückenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Lande zu entkommen. „Unser Guinea wurde zum Alptraum, der uns die Seele lähmt und uns physisch und psychisch müde macht, der uns Stück für Stück zerstört“, schrieb ein emigrierter Journalist. Die vielen Umbesetzungen in der Regierung und in allen hohen Staatsfunktionen waren von Patronage- und damit auch ethnischen Gesichtspunkten beeinflusst. Alle Wechsel an der Spitze von Behörden ziehen vielfache weitere Entlassungen und Neuernennungen nach sich, befördern wenig Qualifizierte in Positionen mit hoher Verantwortung und tragen zur Funktionsunfähigkeit von Politik und Verwaltung sowie zur Korruption bei.
Das Militär gilt als zunehmend von der Ethnie der Balantas dominiert und als politisch unzuverlässig. Die früher in der Militärführung starke Ethnie der Mandingas, aber auch andere, bedeutende Teile der Soldaten betrachten sich als vom jetzigen Regime benachteiligt und als gesellschaftliche Kräfte marginalisiert. Dies macht das Militär zu einem Unsicherheitsfaktor. Mehrere hohe Offiziere wurden wegen Teilnahme an Umsturzversuchen zu teils hohen Haftstrafen verurteilt. Die Demobilisierung von 4.392 Soldaten und ihre Wiedereingliederung ins zivile Leben wurde am 17.9.2002 angekündigt. Das Programm ist mit 19 Mio US-$ ausgestattet. Die ursprüngliche Registrierung hatte die wahrscheinlich aufgebauschte Zahl von 15.217 ehemaligen Kämpfern ergeben. Von den schätzungsweise 20.000 Minen, die insbesondere in den Vororten von Bissau und im Süden und Norden des Landes während des Kriegs 1998/99 gelegt wurden, wurden von Januar bis September 2002 ca. 4000 zerstört.
Nachdem die Menschenrechtsliga von Guinea-Bissau (LGDH) das Jahr 2001 als ein „schwarzes Jahr“ für die Menschrechte im Land bezeichnet hatte, änderte sich diese düstere Situation auch im laufenden Jahr nicht. Es gibt zahlreiche Fälle von Verfolgung von Dissidenten durch den Staatssicherheitsdienst. In ihrem Jahresbericht 2003 beklagt Amnesty International politisch motivierte Festnahmen, Behinderung der politischen Opposition, Einschränkung der Pressefreiheit und des Rechts auf frei Meinungsäußerung. In der Bevölkerung herrscht Angst ähnlich wie zu Zeiten des Vieira-Regimes. Am 30.1.2002 brach eine Mission von Amnesty International ihren Aufenthalt in Bissau ab, nachdem der stellvertretende Vorsitzende der Liga, João Vaz Mané, und ihr ehemaliger Vorsitzender und jetzige Oppositionspolitiker Fernando Gomes (Aliança Socialista Guineense – ASG) gefangen gesetzt worden waren und Kumba Yalá sich weigerte, die Vertreter von ai zu empfangen. Beide wurden der Enthüllung gerichtlicher Geheimnisse und der Veruntreuung von Geldern beschuldigt. Fernando Gomes blieb vom 26.1. bis 8.2. in Haft und erhielt später Ausreiseverbot. Der Vorsitzende der Menschenrechtsliga, Inácio Tavares, und seine Stellvertreterin Fernanda Évora Pã gaben Unterschlagungen in der von ihnen geleiteten Organisation zu, wurden von ihren Funktionen entbunden und angeklagt. Auch Mário Gomes und Fortunato da Costa wurden verhaftet. Wenn es, wie auch die örtliche Presse berichtet, finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben hat, so passen diese sehr gut in die Versuche der Regierung und der Justiz, die kritische Stimme der Menschenrechtsliga zum Schweigen zu bringen. Zum neuen Vorsitzenden wurde am 13./14.7. 2002 der Jurist Luís Manuel Cabral gewählt, der das Jahr 2002 als „schwarzes Jahr“ für die Liga bezeichnete. Er will die Liga neu strukturieren und gegen Einmischungen von außen verteidigen. Drei Offiziere, Lamine Sanhá, Alamane Camará und Mussa Cassamã, baten in einem Brief den Vertreter des UN-Generalsekretärs, David Stephen (seit Februar Nachfolger von Samuel Nana-Sinkam, der angeblich aufgrund eines negativen Berichts an den UN-Generalsekretär abgelöst wurde), um Schutz, da sie ohne Grund als Mitglieder einer fundamentalistischen islamischen Organisation verdächtigt würden und um ihre Sicherheit fürchteten. Malam Bacai Sanhá, ehem. Parlamentspräsident und als solcher verfassungsmäßiger Interimspräsident des Landes nach dem Sturz von „Nino“ Vieira im Mai 1999, wurde im Oktober nach einem Gespräch mit dem mosambikanischen Außenminister Leonardo Simão von der Polizei verhört. Der Abgeordnete Rui Baticã Ferreira wurde im September vom Staatssicherheitsdienst verprügelt. Auf den Oppositionspolitiker Vitor Mandinga wurde geschossen; ein Attentat gegen „Pepito“ Schwarz schlug nur knapp fehl. Solche und viele ähnliche Begebenheiten sind Ausdruck für herrschende Unterdrückung der zivilen Freiheiten und zunehmende Übergriffe der Exekutive und ihres Machtapparats. Dass auch Außenministerin Filomena Tipote und Staatssekretär Malam Mané von der Geheimpolizei verhört wurden, zeigt die Unverfrorenheit der Staatssicherheitsdienste und die Plumpheit ihres Vorgehens.
Rundfunk, Fernsehen, Presse so wie andere Organisationen der Zivilgesellschaft standen unter zunehmendem Druck der Regierung. Jornalisten wurden immer wieder zu Befragungen zum Staatssicherheitsdienst bestellt. Die Jornalisten João de Barros und Nelson Mendonça wurden nach einer den Präsidenten kritisierenden Radiosendung verhaftet. Der Rechtsanwalt und Journalist Carlos Vamain wurde wegen seiner Warnung vor „tribalistischen“ Tendenzen in Radio Pingdjiguiti verhört. Beide Fälle führten zu internationalen Protesten. Die im Vorjahr verbotenen Zeitungen Correio Guiné-Bissau und Fraskera konnten im Dezember 2001 und Januar 2002 ihr Erscheinen wieder aufnehmen. Dagegen blieben Diário de Bissau und Gazeta de Notícias ab Okt. 2001 für längere Zeit verboten. Am 30.11. verbot die Regierung jede weitere Tätigkeit des portugiesischen Fernsehsenders RTP África und beschwor damit eine mehrere Monate andauernde Krise in ihren Beziehungen zu Portugal hinauf. Der Beschuldigung der Verunglimpfung der politischen Institutionen des Landes und ihrer Repräsentanten steht auf portugiesischer Seite die Aufrechnung einer langen Liste von Repressionen der Pressefreiheit, von Zensur und Schikanen gegenüber. Ein dreimonatiger Streik der staatlichen Druckerei aufgrund eines 18-monatigen Rückstands der Lohnzahlungen hatte auch die privaten Zeitungen lahmgelegt, die über keine eigenen Druckereien verfügen. Die Drucker nahmen ihre Arbeit am 15. Juli 2002 wieder auf. Am 18. August traten die Angestellten des staatlichen Fernsehens für zwei Wochen in Streik.
Vom 15.-17.4. 2002 wurde in Bissau ein „Nationales Versöhnungsforum“ unter großer Teilnahme aus allen Gesellschaftskreisen durchgeführt mit dem Ziel, „durch direkten Dialog zwischen Zivilgesellschaft und Militärs ein Klima der Versöhnung und der Konsolidierung der politischen Gewalt und der Demokratie zu fördern“. Insbesondere das Büro der Vereinten Nationen für Guinea-Bissau (Unogbis) förderte den Prozess. Zur Eröffnung erklärte sich der Präsident zu Gunsten „eines offenen und ehrlichen Dialogs zwischen der Zivilgesellschaft, der Armee, der Regierung und der Opposition, ohne Demagogie und List“ und rief die Nachbarländer zur Unterstützung von Demokratie, Frieden und guter Nachbarschaft auf. Das Forum forderte auch „die sofortige Einstellung der Behinderung der Pressefreiheit“.
Das Parlament verabschiedete am 4.7.2002 einstimmig eine Generalamnestie aller seit 1980 wegen Vergehen gegen die Staatssicherheit Verurteilten, schließt aber die am Staatsstreichversuch von Nov. 2000 Beteiligten aus. Am 22. Mai begann das Verfahren gegen 24 Angeklagte aufgrund der Revolte von November 2000, die zum Tode von General Ansumane Mané geführt hatte. Im Juli und August wurden einige der Hauptbeschuldigten zu langen Freiheitsstrafen verurteilt. Allerdings kam es im Mai und im Dezember wie auch in den Vorjahren erneut zu Putschgerüchten. Drei Sicherheitsoffiziere wurden wegen „subversiven Verhaltens, das Instabilität verursachen könnte“ entlassen. Hohe Beamte der Staatssicherheit und des Ministeriums für Interne Verwaltung wurden des Missmanagements und der Gehorsamsverweigerung beschuldigt. Ein Dutzend ehemalige Mitarbeiter des getöteten Generals Ansumane Mane wurden am 8.12.2002 verhaftet. Allerdings erwiesen sich die Informationen über einen geplanten Staatsstreich als falsch. Am 16.1.2002 erklärte Präsident Kumba Yalá, mehr als 10.000 Hektar Ackerland aus dem Besitz der politischen Elite des Vieira-Regimes an Freiheitskämpfer des Unabhängigkeitskriegs verteilen zu wollen.
Die wirtschaftliche Situation des Landes ist weiterhin äußerst angespannt. Der Präsident begründete die Auflösung des Parlaments am 15. November mit der „sehr schwierigen, ja kritischen wirtschaftlichen Krise“. Der schwache, unterkapitalisierte Privatsektor und fehlende Voraussetzungen für private Investitionen erschweren die Überwindung der Krise. Produzierendes Gewerbe fehlt fast vollständig, Landwirtschaft und Kleinhandel sind weitgehend auf Selbstversorgung und Subsistenz ausgerichtet. Das Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen wuchs 2002 nur leicht und erreichte mit schätzungsweise 157 Mrd. Francs CFA den Stand von vor dem Krieg (1998/99). Auch für 2003 und 2004 wird nur geringes Wachstum von bis zu 1,5% vorausgesagt. Im Vergleich zum Nachkriegswachstumsschub ist dies eine dramatische Stagnation. Am 29.7.2002 legte die Regierung dem Parlament einen Fünf-Jahres-Plan zur Wiederbelebung des Privatsektors und Infrastruktur-Entwicklung im Umfang von 31 Mio. US-$ vor.
Die Regionen Oio, Bafatá und Gabu im Norden und Osten des Landes litten unter einer extremen Trockenheit, die die Aussaat verzögerte und die Ernten um 40-50% reduzierte. Im Juli setzte Guinea-Bissau eine nationale Strategie zur Lebensmittelversorgung und Armutsreduzierung in Gang. Die EU bewilligte 1 Mio EUR für Nahrungsmittelhilfe über Nichtregierungsorganisationen. Am 5.7. bewilligte die FAO 293.000 US-$ für die Ausarbeitung und Implementierung eines Gesetzes über Landrechte.
Der FMI hatte sein Programm für Armutsreduzierung und Wachstum (Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) im Mai 2001 ausgesetzt, weil das Land die Zielvorgaben nicht erfüllt hatte, und seine Wiederaufnahme für März 2002 als „wahrscheinlich“ in Aussicht gestellt, dann jedoch das unter direkter FMI-Aufsicht stehende Notprogramm (Staff-monitored Programme – SMP) verlängert. Die Wiederaufnahme des dringend notwendigen FMI-Programms wäre als „Gütezeichen“ für das Land wichtig gewesen. Am 27.7. forderte der FMI erneut die Einhaltung der Vorgaben ein, insbes. strikte Ausgabenkontrolle und Beendigung unrechtmäßiger Eingriffe in die Staatskasse. Auch die FMI/Weltbank-Mission vom 26.10. bis 14.11. stellte fest, dass das Land die gesteckten Ziele nicht erreicht hatte und das SMP weitergeführt werden müsse. Dringend notwendige Regelungen zur Bedienung fälliger internationaler Verpflichtungen wurden nicht erreicht.
Die Vereinten Nationen (Economic and Social Council) kündigten am 30.10.2002 die Konstituierung einer Beratergruppe unter Leitung des südafrikanischen Botschafters bei der UNO, Dumisani Khumalo, zur Prüfung der humanitären und wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Landes an. Ziel ist, den noch unsicheren Frieden zu stärken und einen Rückfall in den offenen Konflikt zu vermeiden. Dagegen ist es immer wieder zu einseitigen Entscheidungen, zu Eingriffen von Präsident und Regierung zu Lasten der Staatsfinanzen und zu im Haushaltsplan nicht vorgesehenen Ausgaben gekommen. Die Ergebnisse der Buchprüfung durch Pricewaterhouse-Coopers wurden von der Regierung nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die seit Kriegsende vorgesehene Geber-Konferenz war für 2002 geplant; sie kam jedoch nicht zustande, weil es nach wie vor an den wichtigsten Vorbedingungen mangelt. Am 4.12.2002 gab die Weltbank innerhalb ihres Kreditprogramms für wirtschaftlichen Wiederaufbau 7 Mio US-$ frei für die Zahlung ausstehender Gehälter und Schulden von Staatsunternehmen. Die Wiederherstellung der Funktionsbedingungen der öffentlichen Verwaltung, die Verbesserung der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Indikatoren, die Reduzierung der Haushaltsungleichgewichte und der Investitionshindernisse und eine breit angelegte Strategie zur Armutsreduzierung gelten als Vorbedingungen für die Wiederaufnahme des Wachstums und der Hilfsprogramme. Auch der Einbezug des Landes in das Entschuldungsprogramm von FMI und Weltbank für überschuldete arme Länder kommt nicht voran. Die Ausarbeitung eines strategischen Aktionsplans der Regierung scheiterte bisher an den grundlegenden politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen. Dadurch scheint die Überwindung der Kriegsfolgen von 1998/99 ebenso wenig erfolgversprechend wie die Wiederherstellung der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der multilateralen und bilateralen Kooperation. Im November besuchte eine Kommission von FMI und Weltbank Bissau zur Begutachtung der Situation. Die Haltung der multilateralen und bilateralen Partner für die Entwicklung des Landes wird zunehmend kritischer angesichts der mangelnden Erfolge und der inkonsistenten politischen Führung des Landes. Die EU kündigte im Rahmen des 9. Europäischen Entwicklungsfonds zusätzlich zum Katastrophenhilfe-Programm von 19 Mio. ? ein Entwicklungshilfe-Programm im Umfang von 60 Mio. ? an, insbesondere für Infrastruktur, Erziehungs- und Gesundheitswesen. Auch die Westafrikanische Wirtschaftsunion (UEMOA) und die Afrikanische Entwicklungsbank haben Investitionen in Guinea-Bissau in Aussicht gestellt.
Hauptexportprodukt sind mit großem Abstand Cashew-Nüsse. Für 2001 wurden Cashew-Ausfuhren im Wert von 59,59 Mio. $ genannt. 2002 fielen zwar die Weltmarktpreise, wurden jedoch durch eine gute Ernte kompensiert. Cashew-Anbau geschieht vor allem auf Minifundien und sichert direkt oder indirekt für große Teile der Bevölkerung einen wichtigen Teil des Lebensunterhalts. Während bisher Indien der Hauptabnehmer der unverarbeitet exportierten „Nüsse“ war, werden für 2001 an erster Stelle Uruguay vor Thailand und Indien genannt (für 2002 liegen keine entsprechenden Angaben vor). Es gibt Ansätze und Versuche zur Weiterverarbeitung und Vermarktung des Produkts im Lande selbst. Portugal nimmt nach wie vor den ersten Platz in der Importstatistik, aber mit nur 1,4% den vierten beim Export ein.
Der EU-Ministerrat billigte am 21.1.2002 das im Vorjahr mit Guinea-Bissau unterzeichnete Fischerei-Abkommen. Es sieht für die Laufzeit von drei Jahren Kompensationszahlungen von jährlich 10 Mio. ? und für zwei weitere Jahre je 10,5 Mio. ? vor. Dies entspricht lt. IMF 28% der Haushaltseinkommen des Landes im Jahre 1999. Die Fischerei ist einer der problematischsten Wirtschaftssektoren des Landes. Reichen Fischgründen stehen nur geringe Einnahmen aus Fischverkauf gegenüber, ca. 250 – 270.000 US-$ jährlich. Es fehlt dem Land an Verhandlungsmacht sowie an Möglichkeiten, illegalen Fischfang zu unterbinden. Das Fischfangministerium gilt andererseits in Bissau allgemein als Hort der Korruption. (Ähnliche Verhältnisse werden der Forstverwaltung wegen des illegalen Holzeinschlags nachgesagt.) Im September unterbrach die EU den Import von Krabben und Fisch aus Guinea-Bissau aus hygienischen Gründen. Am 1. Februar kündigte die Regierung in Abstimmung mit FMI und Weltbank weitere strukturelle Reformen und drakonische Maßnahmen zur Sanierung der Wirtschaft an: zentrale Kontrolle der Privatisierung von Staatsunternehmen, Begleichung der Inlandsschulden der Regierung und Infrastrukturprojekte.
Die Liquidation der Banco Internacional da Guiné-Bissau und der nationalen Fluglinie ist Teil der angekündigten Reformen, ebenso die Einrichtung eines Mobiltelefonnetzes und die Konzentration des Staatshaushalts auf Energie, Fischfang, Landwirtschaft und Tourismus. Ende Juni kündigte der Minister für öffentliche Verwaltung und Arbeit, Carlos Pinto Correia, die Streichung von 3000 der 12.500 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst an. Allein das Landwirtschaftsministerium soll ein Drittel seiner eintausend Arbeitsplätze verlieren. Guiné-Bissau Airline nahm am 27.5. in Partnerschaft mit einer amerikanischen Linie den Betrieb in geringem Umfang wieder auf. Neben Stellenstreichungen stehen Reformpläne für den öffentlichen Dienst.
Viele Ministerien arbeiten seit dem Krieg von 1998/99 nicht oder nur in dem Maße, wie die jeweils angesiedelten Entwicklungsprojekte die notwendigen Mittel bereitstellen. Die Gehälter ermöglichen nicht das Überleben der öffentlichen Bediensteten und werden meist mit vielen Monaten Verspätung ausgezahlt. Am 17. Juli 2002 kündigte Minister Carlos Pinto Correia eine grundlegende Neustrukturierung des öffentlichen Dienstes an, die von Portugal, den Niederlanden, der EU und der Weltbank unterstützt werden soll. Nach Regierungsangaben soll es in den Ministerien für Wirtschaft, für Verteidigung und für Verwaltung 6.000 fiktive Bedienstete geben, die unberechtigt auf den Gehaltslisten stehen Zwei Zeitungsmeldungen werfen ein Schlaglicht auf die marode Situation der öffentlichen Verwaltung: In den Regionen von Bafatá und Gabú ergab im August 2002 eine Aktion zur kostenlosen Registrierung von Kindern von bis zu zehn Jahren 47.000 Meldungen. Das Nationale Versicherungsinstitut INPS strebt nach Zeitungsberichten an, dass die gezahlten Renten mindestens dem Wert eines Sacks Reis entsprechen sollte.
Wichtiger Teil der Reformen ist die Privatisierung der maroden, aus sozialistischen Zeiten stammenden Staatsbetriebe. Der Schiffsreparaturbetrieb GuinéNave wurde an eine libanesische Gesellschaft verkauft. Auch Cerâmica Bafatá und GuinéMetal, die seit mindestens einem Jahrzehnt defizitär waren, faktisch kaum noch etwas produzierten und am Rande des Kollapses standen, konnten endlich verkauft werden. Am 25. Juli senkte die Monopolgesellschaft Guiné Telecom ihre Preise für Telefon und Internet-Anschlüsse und kündigte die Erweiterung ihres Festnetzes auch im Landesinnern an. Mehrere Städte des Landesinnern erhielten Telefonnetze. Die Wasser- und Energieversorgung funktioniert nach wie vor selbst in der Hauptstadt lediglich sporadisch, im übrigen Land aber nur in seltenen Ausnahmefällen. Das Vorkriegsniveau von 10 MW Elektrizitätsproduktion ist auf 2 MW gesunken. China und Libyen lieferten einige kleinere Diesel-Generatoren. Der Oberste Gerichtshof bekräftigte nach langen Querelen die Entscheidung zur Annulierung der Konzession der portugiesischen Firma Tertir für den Betrieb des Hafens von Bissau. An ihrer Stelle wurde eine Hafenverwaltung gegründet, Administração dos Portos de Bissau.
Der Bankensektor ist Ausdruck und einer der Gründe für das wirtschaftliche Chaos des Landes. Kapitalverkehr von und nach dem Ausland ist problematisch, langwierig und unsicher. Auslandsinvestitionen in Guinea-Bissau gibt es fast keine. Die Banco Internacional da Guiné-Bissau eröffnete am 6.3.2002 das Liquidationsverfahren. Die portugiesische Privatbank Totta e Açores schloss ihre Geschäftsstelle in Bissau Ende März. Lediglich die 2000 gegründete Banco da África Ocidental funktioniert.
Nach einer Untersuchung des Gesundheitsministeriums leidet ein Viertel der Kinder an Unterernährung und 30% der Kinder bis fünf Jahren an Rachitis und Wachstumsrückstand. In den Regionen von Bafatá und Gabu sind zwei Drittel der Kinder betroffen. Die personell und materiell vollkommen unzureichend ausgestatteten Krankenhäuser litten unter mehreren Streiks. Gegen Jahresende brach eine Choleraepidemie aus. Das ohnehin marode Erziehungswesen wurde durch mehrere Streiks der Lehrkräfte beeinträchtigt. Die UNICEF drückte ihre tiefe Besorgnis aus. Um die Bezahlung rückständiger Gehälter zu erzwingen, weigerten sich die Lehrer am Ende des Schuljahres 2001/2, die Noten auszustellen. Anfang Dezember kam es zu großen Demonstrationen von Schülern der öffentlichen Schulen, da der Unterricht des Schuljahrs 2002/3 noch nicht begonnen hatte, und zu Solidaritätsveranstaltungen der Schüler der Privatschulen.
Aufgrund einer Entscheidung der Stadtverwaltung von Bissau wurde am 16./18.1. der bekannte Markt von Bandim im Stadtzentrum aufgelöst, die Stände zerstört und die etwa 700 Kleinhändler und Kleinhändlerinnen aufgefordert, ihre Geschäfte auf den verschiedenen Märkten am Stadtrand weiterzuführen.
Außenpolitik
Die unstete politische Situation des Landes erschwerte seine bilateralen und multilateralen Beziehungen. Die internationale Besorgnis über den politischen und wirtschaftlichen Kurs des Präsidenten führte zur Zurückhaltung der Geber. Auf internationalem Parkett werden die unberechenbaren Reden und Reaktionen des Präsidenten mit Skepsis betrachtet. Kumba Yalá nahm am Gipfel in Johannesburg und im Juli an der Gründung der Afrikanischen Union in Durban teil, überließ jedoch viele Auslandsreisen seinem Premierminister. Ende 2002 unternahm Kumba Yalá einen neuntätigen Besuch der Volksrepublik China und erreichte die Zusage einer Finanzhilfe von 6,4 Mio US-$ sowie der Lieferung von Reis und Stromgeneratoren. Der Besuch des Präsidenten von Sierra Leone, Ahmed Tdjane Kaba, in Bissau am 8. und 9.10.2002 führte zur Bildung einer Kommission zur Stärkung der bilateralen und regionalen Kooperation. Der mosambikanische Präsident Chissano besuchte Guinea-Bissau vom 23. bis 25.10. und beschwor die Notwendigkeit nationaler Versöhnung. Die beabsichtigte Teilnahme des Landes an der westafrikanischen Friedenssicherungstruppe in Elfenbeinküste scheiterte am Fehlen konkreter Möglichkeiten. Die Beziehungen zu Portugal wurden schwer belastet durch Kumba Yalás Drohung mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen wegen „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ des Landes. Der Anlass waren Anfang 2002 Überlegungen der Regierung in Bissau, oppositionelle Stimmen von Auslands-Guineern zum Schweigen zu bringen, sowie die Schließung der Vertretung des portugiesischen Fernsehens in Bissau im November. Der scheidende portugiesische Außenminister Jaime Gama reiste am 26.2.2002 zu einem Kurzbesuch nach Bissau, ein Fortschritt gegenüber der bis dahin herrschenden Situation: Im Oktober 2001 war ein geplanter Besuch des portugiesischen Premiers António Guterres wegen der instabilen Situation des Landes abgesagt worden, und im Dezember 2001 hatte der ehemalige portugiesische Präsident Mário Soares öffentlich an dem Geisteszustand KumbaYalás gezweifelt. Ein für den 24. September 2002 vorgesehener Besuch des guineischen Premierministers wurde von Portugal wegen Terminschwierigkeiten abgesagt. Kumba Yalá beschuldigte im Mai Gambia der Unterstützung von zwei Putschversuchen. Er werde, so wird der Präsident zitiert, Gambia „zerschmettern“. Die gambische Regierung bestritt jede Einmischung und forderte eine Entschuldigung. Es kam zu Feindseligkeiten gegenüber Gambianern in Bissau. UN-Vertreter vermittelten auf dem Gipfel in Durban ein Treffen der beiden Staatspräsidenten, und der Zwischenfall wurde zum Missverständnis erklärt. Anfang Oktober besuchte Kumba Yalá Gambia und betonte, es gebe keinerlei Probleme zwischen den beiden Ländern.
Am 22.3. wurde in Bissau ein führendes Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung der Casamance (MFDC) festgenommen. Kumba Yalá bekräftigte aus diesem Anlass seine Entschlossenheit, die Anwesenheit der MFDC auf guineischem Gebiet zu unterbinden. Dies führte zur Verbesserung des Verhältnisses zu Senegal. Am 18. August gab Guinea-Bissau seinem nördlichen Nachbarn 118 Stück Rindvieh zurück, nachdem eine Gruppe von 14 bewaffneten Banditen gefasst worden war. Ein dreitägiger Besuch des Präsidenten in Libyen wurde erst im Nachhinein bekannt gegeben, als Kumba Yalá auf einer Pressekonferenz einen Koffer mit 1,4 Mio US-$ in Banknoten vorwies, die er von Gaddhaffi als persönliches „Solidaritätsgeschenk“ erhalten habe. Mit Kap Verde unterzeichnete Guinea-Bissau im Oktober anlässlich eines Besuchs von Premierminister Alamara Nhassé ein Kooperationsabkommen, dem angesichts der historischen Rivalitäten eine gewisse, wenn auch eher symbolische Bedeutung zukommt.
Das Mandat des UN-Büros zur Friedenssicherung in Guinea-Bissau (Unogbis) wurde auf Ersuchen der Regierung und trotz vieler Reibereien bis Dezember 2003 verlängert. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen drückte in einem Bericht an den Weltsicherheitsrat seine Besorgnis über die fortwährende Instabilität, die Verletzung der Menschenrechte und die Einmischung der Regierung in die Justiz aus.
Quellen: AFP, Africa Research Bulletin, Correio Guiné-Bissau, The Economist Intelligence Unit, Gazeta de Notícias, Human Development Report, Internationales Afrikaforum, Jeune Afrique, Marchés Tropicaux, Munzinger-Archiv, Nô Pintcha, West & Central Africa; vgl. auch Afrika-Jahrbuch des Instituts für Afrika-Kunde, Hamburg, Hamburg 2003